QUANTITATIVES
ANALYTISCHES PRAKTIKUM

LVA 164.249

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Chlorid-Bestimmung durch Fällungstitration

Eine wesentliche Voraussetzung für die Beständigkeit von Bauelementen aus Stahlbeton ist der Korrosionsschutz des Bewehrungsstahls. Durch Chlorid-Ionen kann die Passivschicht des Stahls lokal aufgehoben und so eine Voraussetzung für Korrosion geschaffen werden. Die Kenntnis der „Chloridkonzentration“ in der Zementphase von Beton ist daher für die Beurteilung der Qualität von Bauelementen und für die Einleitung möglicher Sanierungsmaßnahmen ein entscheidendes Beurteilungskriterium. Zur Ermittlung der Chloridkonzentration in der Zementphase von Beton wird in Österreich standardmäßig nach Normverfahren (EN 14629) vorgegangen. Die beschriebene Titration nach Vohlhard ist eine Methode zur quantitativen Bestimmung von Chlorid mittels Rücktitration und wird zur Argentometrie gezählt. Das Verfahren beruht auf der Fällung der in der Probe vorhandenen Chloridionen mit einem Überschuss an Silber-Ionen, wobei der schwer lösliche Silberchlorid Niederschlag entsteht. Wird für die Chlorid-Fällung eine bekannte Menge an Silbernitrat verwendet, so kann durch Rücktitration der überschüssigen Silber-Ionen mit Ammoniumthiocyanat auf die ursprünglich in der Probe enthaltene Menge an Chloridionen rückgeschlossen werden.

In dieser Übung soll der Chlorid-Gehalt einer Zementprobe entsprechend dem Normverfahren (EN 14629) ermittelt werden. Dazu wird die gemahlene Probe zunächst mit Salpetersäure aufgeschlossen, anschließend wird das freigesetzte Chlorid durch Zugabe einer definierten Menge an Silbernitrat-Lösung quantitativ gefällt. Der verbliebene Überschuss an nicht umgesetzten Silber-Ionen wird abschließend durch Titration mit einer Ammoniumthiocyanat-Lösung ermittelt. Diese Bestimmung beruht auf der Ausfällung des Schwerlöslichen Silberthiocyanats (KL = 6,84.10-13 mol2/l2), als Indikator für die Anzeige des Endpunkts dient eine Eisen(III)-Salzlösung welche bei einem geringen Überschuss an SCN--Ionen zur Bildung von rotem Eisen(III)-Thiocyanat führt. Aus der Differenz zwischen der ursprünglich zugesetzten Menge an Silber-Ionen und der durch Titration bestimmten Menge an Silber-Ionen nach der Chloridfällung kann auf den Chlorid-Gehalt der Probe geschlossen werden.

Praktische Durchführung

Um eventuell in der Probe enthaltene Feuchte zu entfernen, muss vor Beginn der Analyse die Probe getrocknet werden. Dazu wird die erhaltene Probe im Wägedöschen (ohne Deckel!) über Nacht im Trockenschrank bei einer Temperatur von 60°C getrocknet.

Einwaage der Probe
Abbildung 9: Einwaage der Probe

Für die Bestimmung des Chloridgehalts muss die feste Probe in eine Lösung über-geführt werden, dazu wird für jede Titration eine Einwaage von ungefähr 500 mg Zementprobe auf ± 0.1 mg genau in einen Titrierkolben eingewogen, und nachher in der Hitze mit Salpetersäure umgesetzt. Für die praktische Durchführung wird in einem ersten Schritt mit Hilfe einer Analysenwaage das Gewicht des im Exsikkator auf Raumtemperatur (Auftrieb!) abgekühlten Wägedöschens inklusive der darin enthaltenen Probe bestimmt. In einem zweiten Schritt wird dann außerhalb der Waage mit Hilfe einer sauberen Spatel Probe aus dem Döschen entnommen und in einen vorbereiteten Titrierkolben transferiert. Die Gewichts-Abnahme des Döschens wird durch erneutes Abwägen bestimmt. Dieser Vorgang wird solange wiederholt bis die erforderliche Einwaage von ~ 500 mg erreicht wurde (siehe Abbildung 9). Die exakte Einwaage der Probe wird aus der Differenz zwischen dem Gewicht des Döschens vor und nach der Entnahme der Zementprobe bestimmt (Prinzip der Differenzwägung). Diese Vorgangsweise ist notwendig um die Analysen-Waage vor unnötiger Überbelastung, Erschütterungen bzw. Verschmutzung zu schützen, wodurch einerseits die Genauigkeit der Wägung gewährleistet werden kann, andererseits aber auch die Lebensdauer der Waage verlängert werden kann.

Lösen der Probe Lösen der Probe
Abbildung 10: Lösen der Probe

Für das Lösen der im Titrier-Kolben vorgelegten Probe werden mit etwa 50 mL deionisiertes Wasser (Mensur verwenden) und ungefähr 5 mL konz. Salpetersäure zugesetzt, die Zugabe der Säure muss im Abzug unter Verwendung der Kunststoff-Tropfpipette erfolgen. Um das in der Probe enthaltene Chlorid vollständig in Lösung zu bringen muss die Mischung vorsichtig erwärmt und für mindestens drei Minuten gekocht werden. Achtung – die Zementprobe kann unter diesen Bedingungen nicht vollständig gelöst werden (warum?), im Titrierkolben wird daher immer ein ungelöster Rückstand verbleiben. Die apparative Anordnung für das Lösen der Probe bzw. das Aufkochen der Lösung ist in der nachstehenden Abbildung 10 dargestellt.

Nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur wird die Probelösung mit exakt 10 mL (Vollpipette verwenden) einer etwa 0,05 M Silbernitratlösung sowie zwei bis drei Tropfen Indikatorlösung versetzt. Als Indikator dient eine kalt gesättigte Lösung von Ammoniumeisen(III)-sulfat, welche mit ausgekochter Salpetersäure bis zum Verschwinden der Braunfärbung versetzt wird. Die Titration der Probelösung erfolgt mit 0,05 M Ammoniumthiocyanatlösung, während der Zugabe der Maßlösung soll der Titrierkolben ständig geschwenkt werden.

Während der Titration kann es bereits vor dem Erreichen des Äquivalenzpunkts zur Bildung von rotem Eisen(III)-Thiocyanat kommen, insbesondere an der Stelle wo das Ammoniumthiocyanat zugetropft wird. Durch ausgiebiges Schwenken kann eine bessere Durchmischung der Lösung erreicht werden, sodass lokale erhöhte Konzentrationen von SCN- Ionen verhindert werden können, wodurch diese Färbung wieder verschwindet. Der Endpunkt der Titration ist erreicht sobald die Lösung eine schwach rötliche Färbung zeigt, welche auch nach kräftigem Durchmischen der Lösung bestehen bleibt. Vor dem Umschlagspunkt erscheint die Farbe der Lösung auf Grund des gebildeten Silber-Niederschlags weiß (Kolben 1), die Lösung selbst ist aber farblos. Sobald das Silber vollständig umgesetzt wurde, und erstmals freie SCN- Ionen vorliegen, kann sich ein bleibender Eisen(III)-Thiocyanat Komplex bilden, wodurch die Lösung schwach rötlich gefärbt wird. Das erste Auftreten einer wahrnehmbaren und bleibenden Färbung der Lösung (zumindest für eine Minute) ist demnach als Umschlagspunkt zu werten. Erst bei einer deutlichen Übertitration ergibt sich eine Mischfarbe aus weißem Niederschlag und roter Lösung (Kolben 2), und nur bei einem massiven Überschuss an Titrant stellt sich in der gesamten Lösung die intensiv rote Farbe von Eisen(III)-Thiocyanat ein (Kolben 3).

Farbumschlag bei der Titration eines Reagenzien-Blindwerts
Abbildung 10: Farbumschlag bei der Titration eines Reagenzien-Blindwerts

Um eventuelle Einträge an Chlorid zu korrigieren, welche von den verwendeten Chemikalien und Reagenzien verursacht werden können, ist die Bestimmung eines sogenannten Reagenzien-Blindwerts erforderlich. Dazu werden in Analogie zur Untersuchung der Zementprobe Titrationen von Lösungen durchgeführt, welche mit Ausnahme der Probe alle benutzten Reagenzien (Wasser, Salpetersäure, Silbernitratlösung und Indikator) in derselben Quantität enthalten. Wichtig diese Blindwert-Bestimmung kann auch zur Erkennung des Farbumschlags am Endpunkt der Titration verwendet werden, und sollte daher vor der Untersuchung der Zementprobe durchgeführt werden!

Für das Gelingen der Übung wird empfohlen Probenvorbereitung als auch Titration in einer Umgebung durchzuführen welche kein Chlorid enthält – Einträge an gasförmiger Salzsäure aus den Abzügen bzw. der Labor-Atmosphäre können zu einem Überbefund führen !!!

Auswertung

Aus den Verbräuchen der einzelnen Titrationen ist unter Berücksichtigung der verwendeten Einwaagen entsprechend der nachstehenden Gleichung der Chloridgehalt der Probe in Prozent zu berechnen.

m_Cl= (V_0-V_P)/m∙f∙3,545

mCl…………………………………………………………………………Massenanteil Chlorid [%]
V0……Verbrauch an Thiocyanatlösung bei der Titration des Blindwerts [ml]
VP……………Verbrauch an Thiocyanatlösung bei der Titration der Probe [ml]
m…………………………………………………………eingewogene Masse Betonprobe [g]
f…………………………………………………………Molarität der Thiocyanatlösung [mol/l]

Entsprechend dieser Vorgangsweise sind mehrere Wiederhol-Bestimmungen durchzuführen, sodass anhand der erzielten Ergebnisse die Berechnung von Mittelwert und Vertrauensbereich ermöglicht wird.